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Beschluss: Landesparteitag

04.09.2004
Einführung einer solidarischen Bürgerversicherung
Die SPD Landesorganisation unterstützt die Forderungen nach einer solidarischen Bürgerversicherung verbunden mit Reformen zur Effizienz- und Qualitätssteigerung im Gesundheitswesen.

Mit einer solidarischen Bürgerversicherung wird die Finanzierung des Gesundheitssystems gerechter, einfacher, transparenter und auch über einen längeren Zeitraum stabiler. Sie passt zu den sozialdemokratischen Grundwerten von Solidarität und sozialer Gerechtigkeit.

In einer solidarischen Bürgerversicherung sollen alle Bürgerinnen und Bürger versichert werden. Die Finanzierung erfolgt, in dem jede und jeder auf alle Einkünfte wie Lohn, Gehalt und Kapitaleinkünfte einen prozentualen Beitrag leistet und die Arbeitgeber weiterhin die Hälfte des lohnbezogenen Beitrags tragen. Dadurch werden mittlere und geringe Einkommen ent-
lastet.

Die Bürgerversicherung ist die gerechte und solidarische Alternative zu den unsozialen Kopfpauschalen der CDU bei der ein Chaufeur und sein Chef den gleichen Kassenbeitrag bezahlen. Im Gegensatz zu den Vorschlägen von Grünen-Spitzenpolitikern sollen sich bei unserem Konzept die Arbeitgeber weiterhin paritätisch beteiligen.

Die SPD-Landesorganisation Bremen begrüßt das vom SPD-Parteivorstand beschlossene Konzept für eine solidarische Bürgerversicherung.

Bei der Umsetzung des Projekts ?solidarische Bürgerversicherung? ist bereits bei der Planung eine professionelle und integrierte ?Kommunikationsstrategie? zu entwickeln, einzuhalten und durchzuführen.

Die SPD-Fraktion im Bundestag muss nach einem Beschluss des Bundesparteitages Ende 2005 zu Beginn des Jahres 2006 einen konkreten Gesetzentwurf zur ?Bürgerversicherung? vorlegen.


 
Begründung

Die SPD steht weiterhin vor großen Herausforderungen. Sie muss die Ziele ihrer Politik deutlich machen und dann die Details klären. Es geht dabei um die Frage, wie ein moderner Sozialstaat aussehen muss, der zukunftsfähig ist, bezahlbar bleibt und die Solidarität verankert. Nur wenn die SPD es schafft, ein schlüssiges und langfristiges Konzept für eine gerechte Reform des Sozialstaates zu bieten und dieses Schritt für Schritt umsetzt, kann sie ihre Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. Ein wichtiger Baustein ist dabei die Reform der Krankenversicherung. Alle wissen es: Der ausgehandelte Kompromiss zur Gesundheitsreform löst die Probleme mittel- und langfristig nicht. Vor allem wurden die Versicherten, durch die übertriebenen Forderungen der CDU/CSU, mit weiteren Zuzahlungen und Leistungsausgrenzungen belastet. Auf der Ausgabenseite gilt es nun, auch die Leistungsanbieter, wie z.B. Ärzte, Krankenhäuser, Apotheken und Pharma-Industrie noch stärker an den Strukturreformen zu beteiligen.

Unsere Zielvorstellungen in der Gesundheitspolitik
Schutz, Erhalt und Wiederherstellung der Gesundheit gehören zu den elementaren Aufgaben öffentlicher Daseinsvorsorge. Die Versorgung mit einem hochwertigen und leistungsfähigen Gesundheitswesen muss für alle Menschen, unabhängig von Einkommen, Alter, Geschlecht, sozialem Status, Herkunft oder anderer Merkmale in gleicher Weise sichergestellt sein.

Präventive, ambulante, stationäre und rehabilitative Versorgung müssen mit hoher Effizienz und Qualität erfolgen. Nur so können die erheblichen Lasten, die für ein modernes Gesundheitswesen erforderlich sind, gerechtfertigt werden. Nur so kann Vertrauen in einen wirksamen Gesundheitsschutz wie die Bereitschaft zur gemeinschaftlichen Finanzierung gewahrt und  ausgebaut werden.

Neben der inneren Strukturreform auf der Ausgabenseite bedarf es auf der Einnahmenseite der gesetzlichen Krankenversicherung einer konsequenten Reform. Seit Jahrzehnten ist der Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt weitgehend stabil. Die Gesundheitsausgaben haben stets im Rahmen der allgemeinen Wohlstandsentwicklung gelegen.

 
Dagegen sind die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung kontinuierlich gestiegen: Seit 1960 von damals ca. 7 % auf heute ca. 14%. Die steigenden Beitragssätze und damit steigende Belastungen der Beitragszahler haben ihre Ursache in der einseitigen Finanzierung aus den unteren und mittleren Löhnen und Gehältern aus abhängiger Beschäftigung. Auch tragen Arbeitslosigkeit , Armut, Zunahme von Niedriglohnarbeitsplätzen, Zulagenkürzungen, Finanzierung der deutschen Einheit aus den Sozialkassen und Abwanderungen in die privaten Kassen zu dieser Situation bei. Die Belastung des Faktors Arbeit muss reduziert werden durch laufende Strukturreformen und die Weiterentwicklung einer solidarischen Finanzierung. Aus diesen Gründen lehnt die SPD im Land Bremen die Aufgabe solidarischer Finanzierungsmodelle und damit die Einführung einer einkommensunabhängigen Gesundheitsprämie genannt ?Kopfpauschale? ab.

Warum wollen wir keine ?Kopfpauschale?
Die Forderungen der CDU nach einer einkommensunabhängigen Gesundheitsprämie (?Kopfpauschale?) führt auf Dauer zu einem anderen Gesundheitssystem. Es führt weg vom verwurzelten europäischen Solidaritätsgedanken hin zu einem System von individuellem Eigennutz und weniger gesellschaftlicher Verantwortung. Die Kopfpauschale der CDU/CSU, bei der ein Chauffeur und sein Chef den gleichen Kassenbeitrag bezahlen,  erfordert für einen Sozialausgleich für Kinder und Geringverdiener einen jährlichen zusätzlichen Steuerbedarf bis zu 40 Mrd. Euro und steht somit im Gegensatz zu ihren Forderungen nach umfangreichen Steuersenkungen. Der bisherige Arbeitgeberanteil soll entfallen und als zusätzlicher Lohn ausgezahlt werden, der ebenfalls versteuert und mit Beiträgen zur
Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung belastet werden müsste.

Die Vorstellungen der CDU/CSU erfordern für den Sozialausgleich einen immensen Verwaltungs- und Erfassungsaufwand. Die Erfahrungen in der Schweiz zeigen, dass durch ein derartiges Zuschuss- und Verteilungssystem die Transparenz schwindet und die Verwaltungskosten weiter ansteigen. Bereits heute haben vierzig Prozent der Schweizer einen Ausgleichsanspruch. Ebenfalls sind die dortigen Prämien in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen, sodass immer mehr Menschen ein Problem haben, diese Beiträge auch abzuführen.

 
Auch konnte die Schweiz in den vergangenen Jahren durch die Einführung der Kopfpauschale nicht den Beweis einer Entlastung der Wirtschaft erbringen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die steigende Belastung der Mittelschicht durch Krankenversicherungsprämien die Kaufkraft in den vergangenen Jahren geschwächt hat und unter anderem dazu beitrug, dass das Wirtschaftswachstum der Schweiz unter dem des EU-Durchschnitts blieb.

Wir wollen auch nicht, dass die Finanzierung der staatlichen Zuschüsse für die Kopfpauschalen den jährlichen Haushaltsverhandlungen unterworfen wird und somit das Vertrauen in die soziale Sicherung noch mehr schwindet.

Die CDU/CSU will vor allem die oberen Einkommen von Steuerzahlungen entlasten, d.h. letztendlich müsste dieser steuerliche Ausgleich bei der Kopfpauschale wieder nur von den mittleren Einkommen geleistet werden. Die CDU/CSU betreibt einen Klassenkampf von oben, der denen die schon viel haben noch mehr geben soll.

Die solidarische Bürgerversicherung lässt sich schrittweise aus dem bisherigen Kassensystem entwickeln. Deshalb sind Fehler leichter zu korrigieren als bei einem völlig anderen System wie es der CDU/CSU vorschwebt.

Die Erfassung der Kapitaleinkommen
Mit dem Modell der solidarischen Bürgerversicherung gibt es einen Entlastungseffekt für kleinere und mittlere Einkommen, was letztlich Kaufkraftvolumen freisetzt. Des weiteren bedarf die solidarische Bürgerversicherung keines Kapitalstocks, weil durch die Einbeziehung von Vermögenserträgen der bereits heute in der Gesellschaft vorhandene Kapitalstock zur Finanzierung herangezogen werden soll. Hier gilt es noch zu klären und abzuprüfen welches Modell favorisiert wird: Variante I: Das 2-Säulen-Beitragsverfahren
-    Einkommensabhängige Beiträge aus Erwerbseinkommen werden durch eine zweite Beitragssäule ergänzt., die sich auf Kapitaleinkommen bezieht. Damit wird die Belastung nach Leistungsfähigkeit erreicht.
-    In der zweiten Säule werden Kapitaleinkommen bis zur Beitragsbemessungsgrenze herangezogen. Für diese zweite Säule gilt ein Sparerfreibetrag. Variante II: Das Kapital-Steuer-Modell
-    Einkommensabhängige Beiträge werden durch eine Abgeltungssteuer ergänzt, die sich nach dem Kapitaleinkommen richtet.
-    Der Einbezug von Kapitaleinkommen zur solidarischen Krankenversicherung wird als Teil einer Abgeltungssteuer in Höhe von etwa 7% erhoben.
-    Solange es nicht zur Einführung einer Abgeltungssteuer kommt, kann der Zuschuss an die Krankenversicherung auch im Rahmen der Kapitalertrags- und Zinsabschlagsteuer erbracht werden.

Aus unserer Sicht könnte eine deutliche Veränderung der Beitragsbemessungsgrenze ebenfalls oben genannte positiven Effekte erzielen.

In der Bürgerversicherung bleibt es bei der paritätischen Finanzierung der Beiträge aus abhängiger Beschäftigung. Die Beibehaltung des Arbeitgeberbeitrags ist wichtig, denn nur so haben auch die Unternehmen und ihre Verbände ein unmittelbares Interesse, dass das Gesundheitssystem wirtschaftlich ist.