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Beschluss des Landesparteitages vom 1. November 2006

01.11.2006
A 21 - Unternehmenssteuerreform und öffentliche Finanzen
Tragfähige und nachhaltig gesicherte öffentliche Finanzen sind Voraussetzung für eine freie, gerechte und solidarische Gesellschaft und für einen handlungsfähigen Staat. Tatsächlich erleben wir eine dramatische strukturelle Unterfinanzierung der öffentlichen Haushalte. Dies gilt nicht nur für den Bund. 11 von 16 Bundesländern haben 2005 keinen verfassungsmäßigen Haushalt beschlossen. Ebenso sind die kommunalen Haushalte unterfinanziert. Die nachhaltige Konsolidierung der öffentlichen Haushalte ist dabei nicht allein durch Kürzungen auf der Ausgabenseite zu erreichen. Insbesondere die Einnahmeseite muss dauerhaft stabilisiert werden. Vornehmliches Ziel sozialdemokratischer Steuerpolitik muss es sein, dass der Staat auf allen seinen Ebenen genug finanzielle Mittel hat, um seine Aufgaben zu erfüllen. Vor diesem Hintergrund fordert der Parteitag der SPD Bremen-Stadt den SPD Parteivorstand und die SPD Bundestagsfraktion auf, sich angesichts der jüngst bekannt gewordenen ersten Eckpunkte speziell zur Unternehmenssteuerreform für folgende Maßnahmen einzusetzen: 1. Die Reichensteuer als Solidarbeitrag der absoluten Spitzeneinkommen für eine gerechte Finanzierung der öffentlichen Aufgaben muss das zugesagte Mehraufkommen von mindestens 1,3 Mrd. Euro auch tatsächlich erbringen. Andernfalls ist dieses Volumen durch andere Maßnahmen von derselben Personengruppe einzufordern. 2. Das durch den Zuschlag von 3 Prozentpunkten auf den Einkommenssteuerspitzensatz für hohe Einkünfte erzielte Steuermehraufkommen darf nicht zur Finanzierung niedrigerer Unternehmenssteuersätze, sondern muss voll als Solidarbeitrag verwendet werden. 3. Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass ausdrückliches Ziel der für das Jahr 2008 vorgesehenen Reform der Unternehmenssteuern auch eine nachhaltige Sicherung der deutschen Steuerbasis ist. Deshalb müssen die im Rahmen dieser Reform angestrebten international wettbewerbsfähigen Steuersätze aufkommensneutral finanziert werden. Gegenfinanzierungsmaßnahmen müssen aus dem unternehmerischen Bereich stammen und dürfen nicht Privateinkommen belasten. Die nun beabsichtigte dauerhafte Entlastung der Unternehmen in Höhe von 5 Mrd. Euro ist nicht hinnehmbar. Wir machen darauf aufmerksam, dass rund 8 Mrd. Euro einem Punkt Mehrwertsteuer entsprechen, was die Brisanz verdeutlicht. Die Gegenfinanzierung der Reform muss im Unternehmensbereich erfolgen. 4. Die Gewerbesteuer muss in ihrer Struktur erhalten bleiben. Ihr Ertrag muss durch eine Einbeziehung der Freiberufler und der Land- und Forstwirte erhöht und stabilisiert werden, so wie es die SPD schon bei der letzten Reform der Gewerbesteuer gefordert hat. Ihre Bemessungsgrundlage muss ausgeweitet werden auf gewinnunabhängige Elemente wie Lizenzgebühren, Leasingkosten, Pachten und Zinsen. 5. Die vollkommene Steuerfreiheit bei der Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen in Deutschland ist keine sinnvolle Maßnahme gewesen. Eine Vielzahl von Fällen hat gezeigt, dass die veränderten steuerlichen Bedingungen vor allem den Aufkauf von Unternehmen aus rein spekulativen Beweggründen erleichtert haben, mit negativen Folgen bezogen auf den Erhalt dieser Unternehmen und der Arbeitsplätze, während die Sicherung und das Wachstum an Arbeitsplätzen nicht im versprochenen Maße eingetreten sind. Es ist deshalb wieder ein angemessener Steuersatz auf den Verkauf von Unternehmensbeteiligungen einzuführen. 6. Die SPD steht für eine sachgerechte Einbeziehung von Erbschaftsvermögen in die Finanzierung der öffentlichen Aufgaben. Die nach dem Koalitionsvertrag unter Berücksichtigung des zu erwartenden Urteils des Bundesverfassungsgerichts beabsichtigte Reform der Erbschaftssteuer (Sicherung der Betriebsfortführung) muss deshalb auch die verfassungskonforme Änderung des Bewertungsgesetzes zum Zweck realitätsgerechter steuerlicher Ansätze für bebaute und unbebaute Immobilien aufgreifen und zur Realisierung höherer Ausgaben für Bildung und Kinderbetreuung eine stärkere Besteuerung großer Erbschaften vorsehen. Diese Steuer kann und sollte eine größere Rolle insbesondere bei der Finanzierung der Länderhaushalte spielen als dies bisher der Fall war; denn gerade die Länder haben besondere Verantwortung im Bereich von Betreuung und Bildung und benötigen weitere Finanzmittel angesichts ihrer Haushaltsdefizite.