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Beschluss des Landesparteitages vom 1. November 2006

01.11.2006
I 4 - Die solidarische Bürgerversicherung bleibt unser Ziel
Wir halten unvermindert an dem langfristigen Ziel fest, die Krankenversicherung in Deutschland zu einer solidarisch finanzierten Bürgerversicherung auszubauen. Die SPD weiß sich dabei in Übereinstimmung mit der großen Mehrheit der Bevölkerung. Das Gesundheitswesen in seinen bisherigen Leistungs- und Finanzierungsstrukturen ist dringend reformbedürftig, um die Auswirkungen des demographischen Wandels, des medizinischen Fortschritts und der sich verändernden Arbeitswelt zu bewältigen. Dabei sind alle Formen von pauschalen Versicherungsprämien, Leistungsausgrenzungen und Einführung von Elementen der Privatversicherung abzulehnen. Jede Entsolidarisierung benachteiligt insbesondere diejenigen mit niedrigeren Einkommen und Alterseinkünften, unsteten Erwerbs- und Familienbiographien und besonderen Versorgungsbedürfnissen. Die tragenden Grundprinzipien einer sozialen Krankenversicherung – das Bedarfsprinzip der Inanspruchnahme und das Solidarprinzip der Finanzierung, sind für uns die Leitlinien für eine Weiterentwicklung der Krankenversicherung für alle. Sie sollen für gesetzliche und private Krankenversicherungen gleichermaßen gelten. Wir bleiben dabei, dass eine solidarische Bürgerversicherung folgende grundlegende Merkmale aufweisen muss.
  • Alle Bürgerinnen und Bürger sollen krankenversichert sein, unabhängig von ihrem Erwerbsstatus. Abhängig Beschäftigte, Selbstständige, Beamtinnen und Beamte  und Rentnerinnen und Rentner sollen gleich versichert sein.
  • Alle erhalten die jeweils notwendige medizinische Versorgung, unabhängig von Alter, Geschlecht  oder Einkommen.
  • Jeder Mann und jede Frau erhalten den gleichen Zugang zu medizinischer Versorgung nach Erfordernis und neusten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen. Dafür bedarf es neuer und besserer Versorgungsstrukturen.
  • Die Finanzierung des Gesundheitswesens erfolgt durch einkommensbezogene Beiträge und Steuerzuschüsse.
  • Gesetzliche und private Krankenversicherungen bestehen nebeneinander in einem Wettbewerb zu gleichen Bedingungen. Die unterschiedlichen Einkommen und Krankheitsrisiken der Versicherten werden zwischen allen Krankenversicherungen zielgerichtet ausgeglichen.
Die solidarische Bürgerversicherung ist die Grundlage für ein soziales Gesundheitswesen, das den Anforderungen moderner europäischer Sozialstaaten in einer veränderten Gesellschaft und modernen Arbeitswelt gerecht wird. Sie verbindet eine sichere Versorgung, eine gerechte Finanzierung und die Möglichkeiten, präventive und vorsorgende Leistungen für die ganze Gesellschaft zu erbringen. Die in der Regierungskoalition zwischen SPD, CDU und CSU vereinbarten Eckpunkte für eine Gesundheitsreform in diesem Jahr sind ein Kompromiss, bei dem Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten einiges erreicht haben. Erste Schritte zu einer Ausweitung der Solidarität im Gesundheitswesen sind sichtbar.
  • Künftig wird niemand seinen Krankenversicherungsschutz verlieren. Jeder bzw. jede hat Anspruch, wieder in seine letzte Krankenversicherung aufgenommen zu werden.
  • Wir verbessern die Versorgung durch weitere Strukturreformen. Das Hausarztprinzip, die integrierte Versorgung und medizinische Versorgungszentren werden gestärkt.
  • Die Verzahnung von ambulanter und stationärer Behandlung wird verbessert.
  • Die Krankenhäuser werden für hoch spezialisierte ambulante Leistungen geöffnet.
  • Es sind neue Leistungen aufgenommen worden, wie z.B. notwendige Impfungen, Eltern-Kind-Kuren, geriatrische Rehabilitation und Palliativversorgung. Leistungsausgrenzungen gibt es nicht.
  • Die Steuerzuschüsse an die Krankenversicherung werden auf eine neue verlässliche Grundlage gestellt. Mit dem Aufwachsen der Steuerfinanzierung wächst auch die solidarische Finanzierungsbasis.
  • Die finanzielle  Leistungsfähigkeit der Versicherten bleibt Maßstab der Beiträge.
  • Die privaten Krankenversicherungen müssen sich angleichen und sich einem Wettbewerb öffnen.
Der Gesundheitsfonds ist ein Zugeständnis an die Union. Aber er ist kein Selbstzweck. Ohne einen zielgenauen Ausgleich der Risikostrukturen der einzelnen Kassen und ohne substantiellen Steuerzuschuss verliert ein Gesundheitsfonds seine Begründung. Ebenso ist eine Belastungsobergrenze für einen möglichen Zusatzbeitrag von einem Prozent für alle Einkommensgruppen notwendig. Die Union ist aufgefordert, die Handlungsfähigkeit der Koalition nicht dadurch zu gefährden, dass der Kompromiss in Frage gestellt wird. Wenn die Union immer neue Forderungen erhebt, die die vereinbarten Eckpunkte aushebeln, kündigt sie den Kompromiss auf. Der Weg zu einem solidarischen Gesundheitswesen ist weiter offen, aber er ist nur längerfristig und mit anderen politischen Mehrheiten möglich. Viele weitere Schritte sind erforderlich.
  • Der Versichertenkreis muss auf alle ausgedehnt werden und die Versicherungspflichtgrenze muss aufgehoben werden.
  • Die bisherige Beitragsfinanzierung muss durch eine zusätzliche steuerfinanzierte Komponente ergänzt werden. Dabei sind alle Einkommensarten nach der individuellen Leistungsfähigkeit heranzuziehen.
  • Ein echter Einkommens- und Risikoausgleich muss zwischen allen Krankenversicherungen erfolgen.
  • Um Qualität und Sicherheit der Versorgung der zu verbessern und zielgenauer zu machen, brauchen wir weitere Strukturreformen, z.B. mehr Vertragsfreiheit oder die Aufhebung der Trennung von ambulanter und stationärer Versorgung.
  • Die private Krankenversicherungen müssen tatsächlich in ein solidarisches Gesundheitswesen eingebunden werde.
  • Die Abschaffung des Malussystems bei krebskranken Patienten, die nicht an der Früherkennung teilgenommen haben. Bisher ist der Nutzen von Früherkennungsmaßnahmen in klinischen Studien nicht nachgewiesen worden.
  • Die Beseitigung der zusätzlichen Belastungen der Krankenhäuser bei der geplanten Reform. Allein im Land Bremen sollen die Krankenhäuser für hoch spezialisierte ambulante Leistungen, die integrierte Versorgung und einen nicht nachvollziehbaren einprozentigen Sanierungsbeitrag von zusammen 17,5 Mio. Euro zusätzlich belastet werden.
  • Der PKV-Basistarif muss allen vormals privat Versicherten offen stehen und darf nicht staatlich subventioniert werden.
Gibt es bei diesen Forderungen, die die Finanzbasis der Kassen und die Einkommen der abhängig Beschäftigten betreffen keine Bewegung, dann lehnt die Bremer SPD die Einführung des Gesundheitsfonds im Jahre 2009 ab. Im Zentrum aller langfristigen Reformen der sozialen Sicherungssysteme muss nicht nur die Gewährleistung der Versorgung für alle stehen, sondern auch die Vorsorge und die nachhaltige Finanzierung. Heilung und Rehabilitation, aber auch Vorsorge und Prävention für alle Bürgerinnen und Bürger und ein gerechter Finanzierungsmix  aus Beiträgen, Steuerzuschüssen und Eigenleistungen sind unserer Ziele in der solidarischen Bürgerversicherung.