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Beschluss des Landesparteitages vom 21. März 2009

21.03.2009
A 4 - Arbeitsversicheung jetzt einführen
Die Arbeitswelt hat sich in den vergangenen Jahren tief greifend verändert. Die früher klassische Erwerbsbiografie eines Arbeitnehmers mit 40 Berufsjahren, oft beim gleichen Arbeitgeber, gehört der Vergangenheit an. Für Frauen war dies  ohnehin nie Realität. Stattdessen nehmen so genannte atypische Beschäftigungsverhältnisse zu. Besonders häufig sind davon Menschen zu Beginn und am Ende ihres Berufslebens betroffen. Für sie bleiben oft nur Praktika, befristete Arbeitsverhältnisse oder Leiharbeit. Damit atypische Beschäftigung nicht zu prekärer Beschäftigung wird, müssen die sozialen Sicherungssysteme den Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt Rechung tragen und die bestehenden Modelle der Absicherung von Risiken für Erwerbstätige verändert und weiterentwickelt werden. Hierfür ist die Arbeitsversicherung das richtige und notwendige Mittel. Sie sichert das soziokulturelle Existenzminimum für jedermann und ermöglicht den erstmaligen Einstieg sowie die Reintegration von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt, in dem diese  gefördert und unterstützt werden. Unterbrechungen im Erwerbsleben, seien es Arbeitslosigkeit, Elternzeiten, Weiterbildung oder andere Gründe, sollen von der Arbeitsversicherung aufgefangen werden. Damit diese Ziele erreicht werden können, fordern wir die Einführung einer Arbeitsversicherung, die auf folgenden Elementen aufbaut: 1.            Erwerbstätigenversicherung Die Arbeitsversicherung bezieht auch Beamtinnen, Beamte und Selbstständige mit ein, sie sichert so alle Erwerbstätigen ab und beteiligt alle an ihrer Finanzierung. Dadurch werden die Sozialsysteme solidarisch finanziert und arbeitsmarktpolitische Leistung und eine soziale Absicherung für Selbstständige geschaffen. Gerade vor dem Hintergrund, dass in heutigen Erwerbsbiografien auch Wechsel zwischen abhängiger und selbstständiger Beschäftigung in Kauf genommen werden müssen, passt sich ein solches Prinzip der eigenen Lebensbiografie an und ist somit auch ein wirksamer Schutz vor Altersarmut 2.            Ausbildungsgarantie Ohne Ausbildung sind die Chancen für einen Berufseinstieg gleich null. Daher muss die berufliche Erstausbildung in das Modell der Arbeitsversicherung integriert werden und garantiert werden, dass alle jungen Erwachsenen eine qualifizierende berufliche Erstausbildung erhalten. Dies kann z. B. durch die Realisierung der Umlagefinanzierung erreicht werden. 3.      Rechtsanspruch auf lebenslange Weiterbildung und Qualifizierung Mit der Erosion des Normalarbeitsverhältnisses sind auch Wechsel des Arbeitsplatzes oder des Berufsfelds häufiger geworden. Diese stellen hohe Anforderungen an die Flexibilität der Beschäftigten und sind immer auch mit dem Risiko eines beruflichen Abstiegs verbunden. Aber auch innerbetrieblich verändern sich die Anforderungen ständig. Dadurch erhöht sich die Notwendigkeit zur Weiterbildung. Derzeit ist die Weiterbildungsbeteiligung höchst ungleich verteilt. Dabei bilden sich Beschäftigte, die von Arbeitslosigkeit stärker bedroht sind, z. B. Ältere und Geringverdiener, deutlich seltener weiter als Besserverdienende und junge Menschen. Um heute benachteiligten Beschäftigtengruppen einen leichteren Zugang zur Weiterbildung zu eröffnen ist die Arbeitsversicherung ein wirksames Instrument. Sie schafft einen sozialstaatlichen Rahmen für die Organisation und Finanzierung von unterschiedlich motivierten individuellen Weiterbildungsbedürfnissen und gibt den Beschäftigten so die Möglichkeit, ihre Erwerbsbiografie selbst zu bestimmen. Dazu müssen berufliche, außerberufliche und öffentliche Maßnahmen miteinander verzahnt sein und so ausgestaltet werden, dass sie den unterschiedlichen Ansprüchen der Menschen in verschiedenen Phasen des Lebens Rechnung tragen. 4.      Gleichstellung der Geschlechter Das derzeitige System der sozialen Sicherung ist in weiten Teilen nicht geschlechtergerecht und entspricht nicht den Ansprüchen junger Berufstätiger, die für ihren Beruf nicht auf Familie verzichten wollen. Darüber hinaus werden Frauen im derzeitigen System der Weiterbildung benachteiligt, da viele Weiterbildungsmaßnahmen an Erwerbstätigkeit gekoppelt sind. Für Bezieherinnen und Bezieher von ALG II ist der Weg in Weiterbildungsmaßnahmen auf Grund der Regelungen zu den Bedarfsgemeinschaften oft ganz versperrt. Die Arbeitsversicherung muss daher Einkommensverluste im Falle von Erziehungszeiten verringern, Möglichkeiten der Qualifizierung schaffen und eine eigenständige soziale Absicherung garantieren. 5.       Zweiteilung zwischen ALG I und ALG II überwinden Durch das ALG II und die Zunahme atypischer Beschäftigung schrumpft der Anteil an Berechtigten für das sozialversicherungsrechtliche ALG I und der Anteil derjenigen, die auf die Fürsorgeleistung des ALG II angewiesen sind, steigt. Wir wollen, dass alle Personen in die Arbeitsversicherung aufgenommen werden.  6.      Finanzierung Die Finanzierung der Arbeitsversicherung muss aus einem Mix aus Beiträgen, Steuern und tariflichen Finanzierungsmodellen erfolgen. Dabei sind die Unternehmen an der Finanzierung paritätisch zu beteiligen. Der größte Teil der Förderinstrumente im Rahmen der Arbeitsversicherung wird wie heute von der Bundesagentur beglichen. Hinzu kommt ein erhöhter Steuerzuschuss durch den Bundeshaushalt zur Ausweitung der Finanzierung von Übergängen im Erwerbsleben. Im Gegenzug sind Subventionen wie das Ehegattensplitting oder andere Maßnahmen, die von den Arbeitgebern in der Vergangenheit genutzt wurden, um Menschen vom Arbeitsmarkt fernzuhalten, abzuschaffen und die freiwerdenden Mittel zur Finanzierung der Arbeitsversicherung heranzuziehen. Die höhere Steuerfinanzierung der Arbeitsversicherung ist schon deshalb notwendig, weil die Einbeziehung von Selbständigen und neuen Beschäftigungsformen andernfalls die Einnahmeseite erodieren lassen würde. Die Finanzierung der Weiterbildung erfolgt auf Grundlage eines Fondsmodells, in das alle Unternehmen einzahlen. Unternehmen, die Tarifverträge über die Finanzierung und Bereitstellung von Weiterbildung abschließen, können von der Abgabe befreit werden. Die Arbeitgeberbeiträge sollen in eine Wertschöpfungsabgabe umgewandelt werden. Dies würde arbeitsintensive Unternehmen entlasten und die verhältnismäßig hohe Belastung, des Faktors Arbeit gegenüber dem Faktor Kapital verringern. Für die Wertschöpfungsabgabe wird die Wertschöpfung eines Betriebes als Beitragsbasis herangezogen. Mit in die Berechnung hineinfließen sollen Abschreibungen, Gewinne, Fremdkapitalzinsen, Mieten, Pachten und Steuern. So wird nicht mehr ausschließlich die Lohnsumme eines Unternehmens als Bemessungsgrundlage dienen, sondern seine ökonomische Leistungsfähigkeit.