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Beschluss des Landesparteitages vom 28. November 2008

28.11.2008
A 32 - Altersarmut verhindern - Alterssicherung solidarisch finanzieren und Lücken schließen
1.     Streichung des 2008 und 2009 ausgesetzten Riesterfaktors sowie des Nachhaltigkeits- und des Nachholfaktors. Das System der Alterssicherung in Deutschland steht vor großen Herausforderungen. Die Gründe dafür sind nicht allein demografischer Natur, wie interessierte Kräfte weismachen möchten. Es sind vor allem die Strukturveränderungen am Arbeitsmarkt, die das Ziel der  Lebensstandardsicherung im Alter bedrohen und das Risiko von Altersarmut wieder steigen lassen. Diese Herausforderungen lassen sich mit Leistungsabsenkungen bei der gesetzlichen Rente und einer verstärkten Förderung der betrieblichen und privaten Altersvorsorge nicht meistern. Notwendig ist eine Kurskorrektur hin zu einer Politik, die die Ziele der Alterssicherung wieder vorrangig über das bewährte System der gesetzlichen Rentenversicherung verfolgt. Ein erster Schritt dazu sind die Streichung des in 2008 und 2009 ausgesetzten Riesterfaktors sowie des Nachhaltigkeits- und des Nachholfaktors. Perspektivisch muss das Rentenniveau wieder einer Lebensniveausicherung entsprechen. 2.     Der Kreis der Pflichtversicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung ist auszudehnen. Die wachsende Zahl atypischer Beschäftigungsverhältnisse und vor allem die Zunahme von Solo- und Scheinselbstständigen führen dazu, dass immer mehr Erwerbstätige privat für das Alter vorsorgen müssen – ohne dass dies aber in ausreichendem Maße geschieht. Der Kreis der Pflichtversicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung ist deshalb auf diejenigen Erwerbstätigen auszudehnen, die bislang keinem obligatorischen Alterssicherungssystem angehören und die ein besonderes Schutzbedürfnis aufweisen. Ein weiterer Ausbau hin zu einer gesetzlichen Regelversicherung für alle Erwerbtätigen ist zu prüfen. Dabei ist eine Angleichung der Alterssicherungsdynamik von abhängig Beschäftigten wie Beamten einerseits und Arbeitern und Angestellten andererseits zu überprüfen. 3.     Die Rentenzahlungen für Langzeitarbeitslose müssen aufgestockt werden. Längere Phasen der Arbeitslosigkeit und prekäre Beschäftigungsverhältnisse können dazu führen, dass trotz langjähriger Versicherungszeiten und trotz aller individuellen Anstrengungen nur Rentenansprüche unterhalb der Grundsicherung im Alter aufgebaut werden können. Für solche Versicherte bedarf es aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit und der Ermutigung mehr Schutz. Maßnahmen dazu sind eine höhere Absicherung bei Arbeitslosigkeit sowie – bei Versicherungszeiten von mehr als 25 Jahren – eine Rente nach Mindesteinkommen. 4.     Die Erwerbsminderungsrenten müssen ausgebaut werden. Bei der Erwerbsminderungsrente müssen die Rentenabschläge von 10,8 Prozent entfallen und der Zugang zu Erwerbsminderungsrenten erleichtert werden. 5.     Die betriebliche und private Altersvorsorge sind zu reformieren. Es muss mehr in den Taschen der Arbeitnehmer/-innen verbleiben. Beim Ausbau der betrieblichen und privaten Altersvorsorge zählt bislang vorrangig die Zahl der abgeschlossenen Verträge. Das Mindestalter, um Betriebsrentenansprüche erwerben zu können, ist auf 23 Jahre zu senken. Die Unverfallbarkeitsfrist ist auf 2 Jahre zu verkürzen. Künftig ist dafür zu sorgen, dass die staatliche Förderung effektiver und effizienter gestaltet wird. Notwendig sind dafür vor allem Kostengrenzen für geförderte Produkte. Die staatliche Förderung darf nicht durch überzogene Gewinnansprüche der Anbieter und ihrer Vertriebe konterkariert werden. Zudem dürfen Versicherer keine Gewinne daraus ziehen, dass sie mit überzogenen Lebenserwartungen kalkulieren. In der betrieblichen Altersvorsorge ist überdies zu gewährleisten, dass die Ersparnisse der Arbeitgeber bei den Sozialbeiträgen nicht von diesen vereinnahmt, sondern in vollem Umfang zur Stärkung der Betriebsrenten eingesetzt werden. Durch gesetzliche Regelung ist weiterhin sicherzustellen, dass Renten aus betrieblich abgeschlossenen Verträgen nur dann der Beitragspflicht zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung unterliegen, wenn der Arbeitnehmer auch entsprechende Ersparnisse in der Arbeitsphase erzielt hat. Das ist derzeit oft nicht der Fall, weil das frühere Arbeitseinkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze lag oder solche Verträge privat fortgeführt wurden. 6.     Versicherungsfremde Leistungen müssen über den steuerfinanzierten Bundeszuschuss abgedeckt und die paritätische Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung wieder hergestellt werden. Die Förderung der betrieblichen und privaten Altersvorsorge lässt sich ohne Mehrkosten effektiver und effizienter gestalten. Aber auch die angestrebten Änderungen in der gesetzlichen Rentenversicherung sind finanzierbar. Notwendig ist dazu zum einen das Abschmelzen des Kostenblocks, den die versicherungsfremden Leistungen in der Sozialversicherung verursachen. Diese politisch gewollten Leistungen sind durch entsprechende Erhöhungen der Bundeszuschüsse zu finanzieren. Zum anderen bedarf es der Rückkehr zu einer wirklichen paritätischen Finanzierung der Alterssicherung und damit einer wieder stärkeren Beteiligung der Arbeitgeber an dieser zentralen gesellschaftspolitischen Aufgabenstellung. Es ist zu prüfen, inwieweit das Steuersystem geändert werden kann, um im Alter die Steuerlast zu reduzieren. 7.     Einführung einer Arbeitsversicherung Voraussetzung für eine gute Altersvorsorge sind eine gute Schul- bzw. Berufsausbildung, gezielt eingesetzte Ausgaben für Forschung und Wissenschaft sowie lebenslanges Lernen. Für die Finanzierung des lebenslangen Lernens ist eine Arbeitsversicherung einzuführen und für (hoch-) schulische Ausbildungszeiten ist eine Wiedereinführung einer Bewertung in der gesetzlichen Rentenversicherung zu prüfen. 8.     An Stelle der allgemeinen Heraufsetzung der Regelaltersgrenze auf das 67. Lebensjahr ab 2012 und der Heraufsetzung des Lebensalters bei anderen Renten sollen die flexiblen Übergänge aus der Erwerbstätigkeit Älterer in den Rentenbezug ausgebaut werden, um eine höhere Erwerbsquote zu ermöglichen. Das geltende Rentenrecht sieht vor, dass die Altersgrenzen ab 2012 allmählich angehoben werden. Bereits ab 2010 soll die Bundesregierung alle vier Jahre darüber berichten, wie sich die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer und deren wirtschaftliche Lage entwickelt und ob die Anhebung der Altersgrenzen weiterhin vertretbar erscheint. Von der allgemeinen Heraufsetzung des Rentenalters sollte jedoch wieder Abstand genommen werden, da die damit verbundenen Ziele einer höheren Erwerbsquote Älterer und die Beitragsentlastung der Rentenversicherung auch auf anderem Wege erreicht werden können. Stattdessen sind die politischen Programme zur Beschäftigungsförderung älterer Arbeitnehmer fortzuentwickeln und ist der flexible Übergang in die Rente durch Altersteilzeit und Teilrente unter Mitwirkung der Tarifparteien zu erleichtern. Ferner sollen die Bedingungen für Ältere verbessert werden, die Erwerbstätigkeit freiwillig jenseits der Altersgrenze fortsetzen. 9.     Geschlechtergerechtigkeit Die Zukunft der sozialen Sicherung für Frauen heißt Eigenständigkeit. Geschlechtergerechtigkeit im Erwerbsleben ist für Frauen der wirksamste Weg, Altersmut zu vermeiden. Solange diese Ziele noch nicht verwirklicht sind, sind Frauen jedoch von besonderen Armutsrisiken im Alter bedroht. Aus der Sicht der SPD kommt es daher besonders darauf an, dass die in diesem Antrag aufgezeigten Lücken in der Alterssicherung geschlossen werden und die Alterssicherung solidarisch finanziert wird. Für erwerbstätige Frauen kann dieses in einer Arbeits- oder Erwerbstätigenversicherung erfolgen. 10.     Umsetzung Bei der Umsetzung dieser Punkte ist im Rahmen unseres gesamtverantwortlichen Politikverständnisses die Finanzierbarkeit zu gewährleisten.