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Beschluss des SPD-Landesvorstandes vom 25. April 2014

29.04.2014
Die Zukunft der Müllentsorgung in Bremen - Keine Verzögerung! Die Entscheidungs-grundlagen für die Konkretisierung der Rekommunalisierung müssen schnell erarbei-tet werden.
Der Landesvorstand der SPD erwartet, dass unverzüglich die möglichen und denkbaren Varianten einer Rekommunalisierung der Abfallwirtschaft, deren Auswirkungen und deren gesellschaftsrechtliche Voraussetzungen erarbeitet werden. Es sind dabei alle Optionen in Betracht zu ziehen. Dazu ist ggfs. der nötige externe Sachverstand hinzuzuziehen. Weitere Verzögerungen der Entscheidungsbearbeitung sind nicht akzeptabel. Der Landesvorstand der SPD erwartet, dass umgehend der konkrete Zeitplan für die Bearbeitung und Beantwortung der offenen Fragen vorgelegt wird sowie die dafür nötigen Strukturen und Mittel bereitgestellt werden.

Wir wollen gegenüber den Wählerinnen und Wählern 2015 auch zu dieser Frage eine klare Aussage machen.

Hintergrund zur bisherigen Entwicklung und zum aktuellen Diskussionsstand:Nach der partiellen Rekommunalisierung der Energienetze steht nun eine Entscheidung über die künftige Organisation der Abfallentsorgung in der Stadtgemeinde Bremen an. Die dort weitgehend kommunal organisierte Müllabfuhr wurde 1998 komplett privatisiert und für eine Laufzeit von 20 Jahren bis 2018 an die Nehlsen AG übertragen. Eine Entscheidung darüber, wie es danach konkret weitergehen soll, ist noch nicht getroffen worden. Im rot-grünen Koalitionsvertrag 2011/2015 heißt es: „Wir wollen prüfen, ob nach Auslaufen der Privatisierungsverträge 2018 eine Rekommunalisierung der Abfallsammlung sinnvoll ist.“

Bislang liegen grundsätzliche Entscheidungen von Senat und Bürgerschaft zu der Frage, ob die Abfallentsorgung in privater Hand bleiben soll oder ob sie künftig durch die Kommune durchgeführt bzw. organisiert wird, noch nicht vor. Eine Grundsatzentscheidung über die Zukunft der Abfallentsorgung in der Stadtgemeinde Bremen kann jedoch nicht über die nächste Bürgerschaftswahl hinaus vertagt werden. Die noch zu treffende Grundsatzentscheidung muss ökonomisch, ökologisch, steuerrechtlich und gesellschaftsrechtlich geprüft werden und braucht daher eine Vorlaufzeit. Die Bürger müssen sich auf eine umwelt- und servicefreundliche sowie gebührenstabile Abfallwirtschaft verlassen können. Die Beschäftigten haben Anspruch auf Klarheit für ihre Arbeitsbedingungen. Die Vorbereitung und Umsetzung einer Organisationslösung ab 2018 verlangt Klarheit. Die Details des künftigen Abfallwirtschaftskonzepts müssen ausgearbeitet werden, sobald eine Grundsatzentscheidung getroffen worden ist. Auch gegenüber den privaten Vertragspartnern gebietet es die Fairness, sobald wie möglich eine Grundsatzentscheidung zu treffen.

Bereits 2013 hat die SPD sich auf folgende Prüfkriterien verständigt:
- Qualität der erbrachten Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger,
- Gebührenhöhe und Gebührenstabilität,
- Arbeitsbedingungen der Beschäftigten,
- Wirtschaftliche Wertschöpfung und Zahl der Arbeitsplätze am Standort Bremen,
- Ökologische Nachhaltigkeit,
- Möglichkeiten der demokratischen Einflussnahme auf die Abfallentsorgung,
- Auswirkungen auf den kommunalen Haushalt.
(Beschluss des SPD-Landesvorstandes vom 23.08.2013)

Sowohl die Qualität der Leistungen als auch die Gebührenstabilität für die Bürger wie auch der Grundsatz „gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit“ stehen für die SPD obenan. Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist es nicht hinnehmbar, dass die Leistungen eines Teils der Mitarbeiter zurzeit mit unter 9 Euro pro Stunde vergütet werden und dass der Abschluss von Tarifverträgen von den privatrechtlich organisierten Arbeitgebern abgelehnt wird. Für einen Teil der Mitarbeiter gilt der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, während für den anderen Teil der Mitarbeiter ein tarifloser Zustand herrscht. Erfahrungen anderer Großstädte zeigen: Auch öffentliche Betriebe arbeiten durch systematische Leistungs- und Kostenvergleiche wirtschaftlich, sie konnten in den letzten Jahren ihre Gebühren z. T. mehrfach senken. Diese Ergebnisse wurden trotz Bindung an den TVöD und Bedingungen guter Arbeit erreicht. Voraussetzung hierfür sind motivierte Mitarbeiter, eine gute Leitungskultur und ein funktionierendes modernes Rechnungswesen. Öffentliche Betriebe können den Vorteil bieten, dass für ihre Leistungen keine Umsatzsteuer von zurzeit 19 Prozent anfällt. Dieser Vorteil kann an die Bürgerinnen und Bürger weitergegeben werden. Eine öffentlich-rechtliche Organisation verbindet demokratische Kontrolle, Transparenz und erweiterte Möglichkeiten zur ökologischen Ausgestaltung des Systems ohne Änderung langfristiger Verträge.
Nach dem derzeitigen Stand gesetzlicher Regelungen und praktischer Erfahrungen kommt auch für die Stadtgemeinde Bremen ein kommunal, öffentlich-rechtlich organisierter Kern der Abfallwirtschaft als Lösung in Betracht. Diese Lösung wäre für Bremen mit den Bedingungen der Sanierungsvereinbarung vereinbar. Die Prüfung einer öffentlich-rechtlichen Organisation der Abfallwirtschaft im Aufgabenkern bedeutet keine Absage an die Organisation der gesamten abfallwirtschaftlichen Aufgaben in einem zu optimierenden regionalen Verbund auch mit privaten Partnern oder benachbarten Kommunen. Dieses gilt z. B. für die Nutzung von Kapazitäten der Müllverbrennung/Energiegewinnung oder Müllsortierung/Recyclingwirtschaft, wo dann unverändert Aufträge auszuschreiben sind. Weitere Fragen der sinnvollen Leistungstiefe eines kommunalen Betriebes, von Beteiligungsstrukturen und der konkreten Organisationsform sind noch im Detail zu prüfen.

Als denkbare öffentlich-rechtliche Organisationsformen kommen sowohl der Eigenbetrieb als auch die die Bildung einer Anstalt des öffentlichen Rechts in Betracht, die eine an den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit orientierte Organisation mit den Vorteilen einer über das Parlament und den Senat legitimierten Vertretung der Bürgerinnen und Bürger miteinander verbindet. Es gibt mit diesem Modell gute Erfahrungen, unter anderen mit der AÖR Hamburg. Eine solche in der Stadtgemeinde Bremen zu treffende Entscheidung setzt jedoch eine bremische landesrechtliche Ermächtigung voraus, die den Kommunen die Gründung von Anstalten des öffentlichen Rechts ermöglicht. Der Landesvorstand erwartet, dass auf der Landesebene rechtzeitig vor den umzusetzenden Entscheidungen über die Zukunft der Entsorgung die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gründung von Anstalten des öffentlichen Rechts in den Städten des Landes Bremen geschaffen werden, um spätere Verzögerungen bei der Umsetzung auszuschließen.