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Beschluss des SPD-Landesvorstandes vom 24. Juni 2016

24.06.2016
CETA nicht ratifizieren ‒ oder substantiell verbessern!
Das Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) zwischen Kanada und der Europäischen Union ist weitgehend ausverhandelt. Anfang Juli will die EU-Kommission darüber entscheiden, ob sie den Abkommensentwurf dem Rat zur Ratifizierung zuleitet. Gleichzeitig wird die Kommission entscheiden, ob sie das Abkommen als gemischtes Abkommen ansieht. Sollte dies der Fall sein, würden nicht nur der Rat und das Europäische Parlament (EP) über CETA entscheiden, sondern auch die zuständigen Parlamente in den Mitgliedstaaten. In diesem Fall würde der Rat zudem nach einer eventuell zustimmenden Beschlussfassung des EP darüber befinden, ob CETA als Ganzes oder einzelne Teile davon vorläufig in Kraft gesetzt werden können.

Aus Sicht der Bremer SPD ist CETA ein gemischtes Abkommen, so dass das Abkommen nicht nur vom Europäischen Parlament (EP), sondern auch von den nationalen Parlamenten ratifi-ziert werden muss. Eine vorläufige Inkraftsetzung darf sich nur auf die Teile des Abkommens beziehen, die sich ausschließlich auf europäisches Recht gründen. Wir fordern die Bundesre-gierung und die Abgeordneten im EP auf, gegen eine eventuelle Entscheidung der Kommission, CETA zu einem EU-only-Abkommen zu erklären, entschiedenen Widerstand zu leisten.

Aus Sicht der Bremer SPD erfüllt der Text in seiner jetzigen Fassung in einigen wichtigen Punkten nicht die Anforderungen, die die SPD in ihrem Konventsbeschluss vom September 2014 und ihrem Parteitagsbeschluss vom Dezember 2015 formuliert hat, und darf deshalb keine Zustimmung finden. Kritisch sind vor allem folgende Kapitel:

- Die Passagen zur Geltung von Arbeitnehmerrechten sehen keine verbindlichen Anforderungen vor. Bei einer möglichen Verletzung von Arbeitnehmerrechten gilt ein gesonderter Streitschlichtungsmechanismus ohne Sanktionsmöglichkeiten. Das ist vor allem deshalb nicht akzeptabel, als Kanada zwei der Kernkonventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) (Mindestalter bei Kinderarbeit und gewerkschaftliche Rechte insbesondere dem Streikrecht) nicht anerkannt und ratifiziert hat.

- Die Ausnahme der Daseinsvorsorge aus Liberalisierungsverpflichtungen wird in CETA über Negativlisten geregelt. Das wäre nur akzeptabel, wenn die Daseinsvorsorgen vollständig ausgenommen wäre; wenn über eventuell zukünftig neu entstehende Dienstleistungen zu gegebener Zeit neu entschieden werden muss, ob sie in die Ausnahmelisten aufgenommen werden; und wenn keine Ratchett- oder Stand-still-Klauseln gelten, die eine eventuell in der Zukunft politisch gewollte Einschränkung des einmal vorhandenen Liberalisierungsgrades verbieten.

Während für neue Dienstleistungen in CETA eine jeweils neue Entscheidung über den politisch gewollten Liberalisierungsgrad vorgesehen ist, werden die anderen beiden Anforderungen nicht erfüllt.
In zwei Anhängen wird definiert:
a) welche Branchen von der vollständigen Liberalisierung ausgenommen werden, aber bei denen der einmal erreichte Liberalisierungsgrad beibehalten werden muss und
b) in welchen Branchen eine uneingeschränkte Regulierungsfreiheit der Staaten bestehen bleibt.

Die Definition der Daseinsvorsorge in CETA und die Zuordnung der einzelnen Bereiche zu den erwähnten Ausnahmelisten ist nicht eindeutig. Damit wird die Daseinsvorsorge nicht vollständig von Liberalisierungszwängen ausgenommen. Ebenso wird eine etwaige Renationalisierung oder Rekommunalisierung von Dienstleistungen möglicherweise verhindert.

- Zwischen Staaten mit einem funktionierenden Rechtsschutz wie Kanada und der EU sind Investitionsschutzvorschriften grundsätzlich nicht erforderlich. In jedem Fall sind private Investor-Staat-Schiedsverfahren und unklare Definitionen von Rechtsbegriffen abzulehnen. Zwar ist es ein Erfolg, dass es auf Druck der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten gelungen ist, das alte System privater Schiedsgerichtbarkeit beim Investitionsschutz zu überwinden und durch ein neues öffentliches Gerichtssystem zu ersetzen. Im Vergleich zum bisherigen ISDS-System wird das Recht der Staaten zu regulieren besser gewahrt, wird eine umfassende Transparenz der Verfahren gewährleistet und werden erheblich höhere Anforderungen an die Unabhängigkeit der Schiedsrichter gestellt. Allerdings ist nicht garantiert, dass als Schiedsrichter nur unabhängige Richter fungieren können. Zudem enthält der Text Begriffe wie „faire und gerechte Behandlung“ sowie „legitimen Erwartungen der Investoren“, die zu nicht gerechtfertigten Klagen von Investoren führen können.

Deshalb hält die Bremer SPD den vorliegenden Text nicht für zustimmungsfähig und fordert die Bundesregierung und die Abgeordneten im Europäischen Parlament auf, dem Abkommensentwurf die Ratifizierung zu verweigern.

CETA wäre für uns nur zustimmungsfähig, wenn weitere substantielle Veränderungen vorgenommen werden:

- Wie von der kanadischen Handelsministerin im EP angekündigt, muss die kanadische Regierung vor der Ratifizierung von CETA sämtliche Konventionen der ILO zu den Kernarbeitsnormen rechtsverbindlich anerkennen und Schritte zu ihrer Durchsetzung einleiten.

- Es muss rechtsverbindlich von beiden Vertragspartnern klargestellt werden, dass die Daseinsvorsorge in vollem Umfang von jeglichen Liberalisierungszwängen freigestellt ist. Gleichzeitig muss dargelegt werden, dass keine Einschränkungen bei einer eventuell politisch gewollten Re-Kommunalisierung oder Re-Nationalisierung gelten.

- Es muss rechtsverbindlich vereinbart werden, dass die volle richterliche Unabhängig-keit von Schiedsrichtern im Investitionsschutz gewährleistet wird und dass sichergestellt ist, dass Investitionsschutzklagen nur im Falle von Diskriminierung kanadischer gegenüber europäischer Investoren zulässig sind. Dabei sind Klagen auf entgangene Gewinne auszuschließen.

Sind diese Anforderungen nicht vollständig erfüllt, ist CETA abzulehnen.