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Beschluss des Landesparteitages vom 12. April 2008

12.04.2008
I 1 - EuGH-Urteil zur Vergabe öffentlicher Aufträge
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass die gesetzliche Bindung der Vergabe öffentlicher Bauaufträge an das „mindestens .. am Ort der Ausführung tarifvertraglich vorgesehene Entgelt“ eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstelle. Die Tarifbindungspflicht verschlechtere die Wettbewerbspositionen ausländische Marktteilnehmer, weil sie Leistungserbringern, in deren Herkunftsländern die Mindestlohnsätze geringer seien, „eine zusätzliche wirtschaftliche Belastung auferlegt“ und sie an der Abgabe kostengünstiger Angebote hindere. Diese Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit, meint der EuGH, könne „auch nicht als durch das Ziel des Arbeitnehmerschutzes gerechtfertigt angesehen werden“. Die Festlegung von Lohnuntergrenzen seien allenfalls zulässig, wenn sie bundesweit gesetzlich festgelegt seien und öffentliche wie private Bauaufträge gleichermaßen beträfen oder eine drohende „erhebliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherung“ zweifelsfrei nachgewiesen werde. Die EuGH-Entscheidung hat voraussichtlich auch Auswirkungen auf das Vergaberecht des Landes Bremen. Vor diesem Hintergrund beschließt der Landesparteitag der Bremer SPD:
  1. Die Bremer SPD ist erschrocken und beunruhigt über die rigide, dogmatische und in seiner Konsequenz arbeitnehmerfeindliche Auslegung der EU-Vorschriften zum freien Dienstleistungsverkehr durch den EuGH. Der Spruch konterkariert nach sozialdemokratischer Überzeugung die in der europäischen Vergaberichtlinie verankerte Möglichkeit, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge auch soziale Kriterien und Tariftreueregelungen zu berücksichtigen.
  1. Die Bremer SPD stößt eine umfassende Diskussion in Partei und Gesellschaft darüber an, wie ein soziales, arbeitnehmerfreunliches Europa aussehen und gestaltet werden soll.
  1. Die Bremer SPD fordert die SPD-Bürgerschaftsfraktion und den Bremer Senat auf, rasch und umfassend zu prüfen, wie die im geltenden Vergabegesetz des Landes Bremen geforderte Tarifbindung öffentlicher Auftragnehmer möglichst weitgehend erhalten bleiben kann und welche Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich des bereits in erster Lesung verabschiedeten neuen Vergabe- und Tariftreugesetzes bestehen. Dabei ist der konkrete Geltungsumfang des aktuellen EuGH-Urteils so restriktiv wie möglich zu definieren.
  1. Die Bremer SPD fordert alle deutschen Gesetzgebungsorgane auf, in notwendiger Abstimmung rasch das ihnen Mögliche zu unternehmen, um auf nationaler Ebene zuverlässig zu verhindern, dass der Wettbewerb in Europa auf dem Rücken der ArbeitnehmerInnen ausgetragen wird.
  1. Die Bremer SPD fordert die Bundesregierung auf, umgehend darauf hin zu wirken, dass angemessener Arbeitnehmerschutz in der EU-Gesetzgebung zu einem gegenüber dem freien Verkehr von Waren und Diensten gleichwertigen Rechtsgut wird, dem in Zielkonflikten Vorrang einzuräumen ist.