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Beschluss des Landesparteitages vom 14.5.2022

14.05.2022

Resolution: Kriegshandlungen stoppen! Waffenstillstand jetzt! Abzug der russischen Truppen! Diplomatie intensivieren!

 

Der Landesparteitag verurteilt den völkerrechtswidrigen Überfall der Ukraine durch die russische Regierung. Die Bremer SPD ist erschüttert über das Leid, das die russische Aggression und die Brutalität des Krieges für die Menschen in der Ukraine bedeutet. Den Menschen in der Ukraine sowie den aus der Ukraine Geflüchteten gilt unsere Solidarität.

Die russische Regierung unter Putin hat mit diesem Angriffskrieg die nach dem Ende der Systemkonfrontation aufgebaute Sicherheitsordnung in Europa zerstört. Dafür gibt es keine Rechtfertigung. Russland hat zentrale Prämissen der europäischen Sicherheitsordnung missachtet, wie sie erstmals im Abschlussdokument der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) 1975 in Helsinki formuliert wurden. Tragendes Prinzip dieser Ordnung war, dass Ländergrenzen nicht gewaltsam verändert werden dürfen und die Souveränität aller europäischen Staaten geachtet wird. Die Kriegsverbrechen müssen vor den
Internationalen Gerichtshof in Den Haag gebracht werden.

Alle Bemühungen müssen darauf gerichtet werden, die Kampfhandlungen zu stoppen und einen Waffenstillstand zu erreichen. Ziel muss ein vollständiger Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine sein.

Eine Ausdehnung des Kriegs inklusive einer möglichen nuklearen Eskalation muss verhindert werden. Deswegen unterstützen wir die Bundesregierung in ihrem Nein zu einem Kriegseintritt der NATO. Die Lieferung von Waffen, durch die die NATO zur Kriegspartei würde, lehnen wir ab.

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine kennt schon heute nur Verlierer. Deswegen müssen die diplomatischen Bemühungen intensiviert werden, um zunächst einen dauerhaften Waffenstillstand herbeizuführen. Deutschland muss hier gemeinsam mit Frankreich neue Initiativen ergreifen. Eine dauerhafte Beendigung des Krieges und die Herstellung von Frieden zwischen Russland und der Ukraine werden nur auf dem Weg einer Verhandlungslösung möglich sein.

Die Bremer SPD unterstützt die Bundesregierung darin, die Abhängigkeit Deutschlands und der EU von Energielieferungen aus Russland deutlich

 

zu reduzieren. Im Mittelpunkt müssen dabei der beschleunigte Ausbau regenerativer Energien sowie die Nutzung aller Möglichkeiten zur Energieeinsparung stehen.

Dabei gilt: Sanktionen sollen Russland treffen und nicht die EU und ihren Partnern stärker schaden. Der Zusammenhalt der EU hat auch in diesen Fragen eine hohe Priorität.

Es ist richtig, dass die Bundesregierung vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse die Außen- und Sicherheitspolitik neu ausrichten will. Wir sind der Auffassung, dass der Schwerpunkt der Aufgaben der deutschen und europäischen Streitkräfte in Zukunft auf die Verteidigung der EU und des Bündnisgebietes der NATO gelegt werden muss. Dazu müssen strukturelle Defizite der Bundeswehr behoben werden. In Europa ist ein besserer militärischer Schutz der Ostgrenze der EU unabdingbar. Die bloßen Ankündigungen von mehr Geld im deutschen Rüstungsetat halten wir jedoch für nicht ausreichend. Verantwortungsvolle Entscheidungen über Rüstungsbeschaffungen in Deutschland erfordern eine Analyse und Beseitigung der strukturellen Defizite in diesem Bereich. Es ist bisher nicht aufgearbeitet, weswegen rund 50 Milliarden Euro im deutschen Verteidigungshaushalt nicht ausgereicht haben, um eine einsatzfähige Bundeswehr zu gewährleisten.

Ein Übergang zu einer Logik der gegenseitigen Aufrüstung und Konfrontation muss jedoch vermieden werden. Die von Bundeskanzler Scholz formulierte Zeitenwende darf nicht dazuführen grundlegende Prinzipien sozialdemokratischer Friedens- und Sicherheitspolitik über Bord zu werfen.

Dauerhafter Frieden lässt sich nicht militärisch sichern. Friedenspolitik setzt auf gemeinsame Sicherheit. Gleichzeitig müssen wir einen umfassenden Begriff von Sicherheit zugrunde legen, bei dem existentielle Bedrohungen insbesondere durch den Klimawandel aber auch durch Hunger und Armut in vielen Teilen des globalen Südens bekämpft werden.

Die Konzeption der gemeinsamen Sicherheit basiert nicht auf naiven Annahmen über die Friedfertigkeit potentieller Aggressoren, sondern fußt auf der Erkenntnis, dass im Zeitalter der nuklearen Rüstung, mit gesicherter atomarer Zweitschlagfähigkeit beider Seiten, Frieden nicht konfrontativ gegeneinander gesichert werden kann. Die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit muss daher mit struktureller Nichtangriffsfähigkeit auf allen Seiten verbunden werden.

Mehr Waffen schaffen nicht automatisch mehr Sicherheit. Eine pauschale und unbefristete Ausweitung des Verteidigungsetats von Deutschland lehnen wir ab. Wir brauchen eine effektivere Kooperation der EU in der Sicherheitspolitik und mehr – auch finanzielles Engagement in der Entwicklungszusammenarbeit und friedenssichernden Außenpolitik. Dies ermöglicht mittelfristig sogar eine Senkung der Rüstungsausgaben ohne Einbußen bei der Sicherheit. Die freiwerdenden Gelder werden dringend zur globalen Bekämpfung des Klimawandels und zur Bekämpfung der Armut weiter Teile der Weltbevölkerung benötigt.

Wir brauchen eine breite öffentliche Debatte darüber, welche sicherheitspolitischen Aufgaben in Europa neben der Bündnisverteidigung unverzichtbar sind. Sicherlich müssen auch in Zukunft militärische Fähigkeiten zur Durchführung von Friedenseinsätzen unter Federführung der UN bzw. regionaler Organisationen wie der Afrikanischen Union vorgehalten werden. Dabei sind aber die Lehren gescheiterter Missionen wie in Afghanistan oder Mali zu berücksichtigen und dringend in einer öffentlichen Debatte aufzuarbeiten. Die Rüstungsbeschaffungen müssen sich an diesen Schwerpunkten orientieren.

Gemeinsame Sicherheit erfordert Rüstungskontrolle und konventionelle Abrüstung in Europa. Wir fordern die Bundesregierung auf gemeinsam mit unseren europäischen Partnern neue Initiativen zu Verhandlungen mit Russland zu ergreifen. In Bezug auf die atomare Rüstung muss Deutschland auf globale Verhandlungen zur Abrüstung und Rüstungskontrolle drängen. Eine deutsche atomare Teilhabe lehnen wir ab.