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Beschluss des SPD-Landesvorstandes vom 18. Januar 2013

18.01.2013
Schulden abbauen - finanzielle Handlungsspielräume sichern! SPD-Regierungsprogramm muss sich zu einem Altschuldenfonds für Länder und Kommunen bekennen
1. Eine Lösung des Problems der Altschulden ist – insbesondere unter den Bedingungen der grundgesetzlichen Schuldenbremse – für (fast) alle Länder und Kommunen eine zentrale politische Frage, für viele von ihnen sogar eine Existenzfrage. Zum 31.12.2011 waren die Kernhaushalte der Länder und Stadtstaaten mit rund 533 Mrd. Euro, ihre Extrahaushalte mit rund 82 Mrd. Euro verschuldet. Die Verschuldung der Gemeinden und Gemeindeverbände belief sich auf rund 130 Mrd. Euro (einschl. Zweckverbände und andere Extrahaushalte). Die jährlichen Zinsaufwendungen von Ländern und Kommunen belaufen sich auf mehr als 25 Mrd. Euro. Insbesondere den hoch verschuldeten Ländern und Kommunen lässt der Kapitaldienst kaum noch Luft für die Geschäfte der laufenden Verwaltung, geschweige denn für die notwendigen Zukunftsinvestitionen.

2. Die SPD muss sich deshalb in ihrem Programm für die Bundestagswahlwahl 2013 zum Problem der Altschulden der Länder und Kommunen klar positionieren. Das Thema bietet die Möglichkeit, zwei überzeugende politische Botschaften, die üblicherweise in einem Spannungsverhältnis zueinander gesehen werden („Schuldenabbau“ versus „Investitionen in die Zukunft“), miteinander zu verbinden.

3. Ausgangspunkt der Überlegungen kann das vom Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz im April 2012 vorgelegte Papier „Stabilität, Sicherheit und Handlungsfähigkeit - Strukturelle Lösung für das Problem der Altschulden der Länder“ sein. Kerngedanke des darin entwickelten Vorschlags ist folgender:
 
„Im Zusammenhang mit der Diskussion um den europäischen Fiskalpakt gerät auch das Problem der Altschulden der Bundesländer verstärkt in den Blick. Die Länder werden sich im Zuge der abschließenden Umsetzung der Schuldenbremse ab 2020 nicht mehr neu verschulden. Damit wird der Markt für Länderanleihen austrocknen. Gleichzeitig laufen der Solidarpakt II und damit die Begründung für den Solidaritätszuschlag 2019 aus. Derzeit zahlen die Bundesländer für ihre Anleihen deutlich höhere Zinsen als der Bund.

Diese Entwicklungen erfordern neue Konzepte für den Haftungsverbund von Bund und Ländern. Die Länder sollen ab 2020 verbindlich mit der Tilgung der Altschulden beginnen. Dazu werden die Altschulden der Länder in der Hand des Bundes zusammengeführt. Unter Beteiligung des Stabilitätsrates wird für jedes Land ein klarer und verbindlicher, langfristiger Zahlungsplan entwickelt, mit dem in einem angemessenen Zeitraum (z.B. 50 Jahre) die Altschulden abgebaut und getilgt werden können.

Der Bund übernimmt im Gegenzug ab 2020 die Zinszahlungen für diese Altschulden der Länder. Zur Finanzierung der Zinslasten durch den Bund wird der bisherige Solidaritätszuschlag herangezogen, der in Form einer Ergänzungsabgabe über 2019 hinaus weiter erhoben wird und dann ausschließlich dem Bund zufließt.
Kurzfristig werden „Deutschland-Anleihen“ aufgelegt, um Bund und Ländern einen gemeinsamen Zugang zum Kapitalmarkt mit optimalen Zinskonditionen zu eröffnen.“

Je nach konkreter Ausgestaltung des Modells würden die Länder nach den vorgelegten Modellrechnungen um 10-15 Mrd. Euro p.a. entlastet, bei gleichzeitigem Einstieg in die schrittweise Tilgung ihrer Altschulden. Alle Länder würden profitieren, wobei allerdings je Einwohner gerechnet die besonders hoch verschuldeten Länder in besonderem Maße entlastet würden.

4. Der Hamburger Vorschlag konzentriert sich auf die Lösung des Problems der Altschulden der Länder ohne Einbeziehung der Kommunen. Dafür spricht zunächst, dass eine Berücksichtigung der Kommunen das Fondsvolumen vergrößern und die staatsrechtliche Konstruktion des Altschuldenfonds komplizierter machen würde. Gleichwohl sollten die Kommunen bei einer Altschuldenregelung aus Gründen der Gleichbehandlung (von Flächenländern und Stadtstaaten) und aus Gründen der politischen Durchsetzbarkeit unbedingt berücksichtigt werden. Dies erscheint auch darstellbar, da sich die Altschulden der Kommunen auf etwa ein Viertel der Altschulden der Länder belaufen. Notwendiges Korrelat einer Berücksichtigung der Kommunen wäre allerdings, dass auch sie dann in eine verbindliche Konsolidierungsstrategie einbezogen werden müssten.

5. In zeitlicher Hinsicht erscheint naheliegend, dass der Altschuldenfonds im Jahr 2020 seine Arbeit aufnimmt und dann in einem Akt die Altschulden der Länder und Kommunen übernimmt. Dafür spricht, dass 2020 die Schuldenbremse ihre volle Wirkung entfaltet und dass bis zu diesem Zeitpunkt die Bund-Länder-Finanzbeziehungen neu geregelt sein müssen. Denkbar wäre jedoch auch, das Modell eines ab sofort schrittweise aufwachsenden Altschuldenfonds zu verfolgen. Der Fonds könnte zum Beispiel so konstruiert werden, dass er ab 2014 jedes Jahr so viele Schulden neu übernimmt, wie sich aus den jährlich frei werdenden Mitteln des Solidarpakts II (rund 715 Mio. Euro p.a. im Zeitraum 2014-19) finanzieren lassen. Beispiel: Der Zinssatz für 30jährige Bundesanliehen liegt derzeit bei 2,5%. Legt man dies zu Grunde, dann lassen sich mit 715 Mio. Euro p.a. die Zinsen für 28,6 Mrd. Euro an Schulden bezahlen. Das heißt, der Altschuldenfonds könnte von den Ländern und Kommunen in den nächsten sechs Jahren allein durch Nutzung der frei werdenden Mittel des Solidarpakts II knapp 200 Mrd. Euro an Altschulden übernehmen. Die einzelnen Länder und Kommunen würden von dieser Entlastung im Verhältnis ihres Anteils an der Gesamtverschuldung profitieren. Im Gegenzug zu der Entlastung bei den Zinszahlungen müssten sie sich verpflichten, ab 2014 ihre Altschulden mit mindestens 1% p.a. zu tilgen. Die Differenz zwischen dem Tilgungssatz von 1% und dem Zinssatz, den die Länder und Kommunen sonst für ihre vom Fonds anteilig übernommenen Schulden hätten zahlen müssen, wäre dann die ab 2014 unmittelbar wirksame Haushaltsentlastung.

6. Die Einrichtung eines Altschuldenfonds für Länder und Kommunen kann in ihren finanziellen Auswirkungen nicht isoliert betrachtet werden. Sie wäre – dies muss allen klar sein –zwangsläufig mit Rückwirkungen auf das Gesamtsystem der Bund-Länder-Finanzbeziehungen verbunden.

7. Der Landesvorsitzende und der Vertreter Bremens im Parteivorstand werden beauftragt, sich auf Grundlage der vorstehend beschriebenen Position dafür einzusetzen, dass die Forderung nach einem Altschuldenfonds für Länder und Kommunen in den derzeit erarbeiteten Entwurf des SPD-Regierungsprogramms aufgenommen wird.
Beschluss des SPD-Landesvorstandes vom 18. Januar 2013