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Beschluss des SPD-Landesvorstandes vom 23. August 2013

27.08.2013
Zukunft der Abfallentsorgung in Bremen: Rekommunalisierung ernsthaft prüfen!
Seit drei Jahren wird in Bremen und Bremerhaven intensiv darüber diskutiert, ob die Stadtgemeinden aus wirtschaftlichen, beschäftigungspolitischen, finanziellen und ökologischen Erwägungen heraus wieder stärkeren Einfluss auf die Energieversorgung nehmen sollten. Angestoßen wurde die Debatte durch die SPD, die den Senat mit Blick auf die anstehende Neuvergabe der Konzessionen für die Versorgungsnetze (Strom, Gas, Wasser, Fernwärme) aufforderte, auch eine teilweise oder vollständige Übernahme des Netzbetriebs in kommunale Hand zu prüfen. Nach eingehender Prüfung haben sich Bremen und Bremerhaven dafür entschieden, eine strategische Beteiligung in Höhe von 25,1% an der Netzgesellschaft der swb AG anzustreben. Die abschließenden Verhandlungen mit der swb AG und der Konzernmutter EWE AG laufen zurzeit.
 
Die Debatte um die Versorgungsnetze hat das Thema der „Rekommunalisierung“ auf die Tagesordnung der bremischen Politik gesetzt. Damit befinden wir uns in guter Gesellschaft. Nach dem Abebben der Privatisierungseuphorie der letzten Jahrzehnte ist die Forderung nach Rekommunalisierung bundesweit zu einer wirkungsmächtigen politischen Strömung geworden – über die Parteiengrenzen hinweg. Es vergeht kaum ein Tag, an dem in den Medien nicht darüber berichtet wird, dass eine Gemeinde plant oder bereits beschlossen hat, einst privatisierte Einrichtungen wieder in eigene Regie zu übernehmen.

Und auch in Bremen geht es nicht nur um die Versorgungsnetze. In den nächsten Jahren werden wir uns intensiv Gedanken darüber machen müssen, wie wir künftig unsere Abfallentsorgung organisieren wollen. Die Müllabfuhr in der Stadtgemeinde Bremen wurde 1998 privatisiert und an die Nehlsen AG verkauft. Die auf 20 Jahre geschlossenen Privatisierungsverträge laufen im Jahr 2018 aus, was dann kommt ist derzeit noch völlig offen. Theoretisch denkbar sind die unterschiedlichsten Modelle – von einer schlichten Fortführung des Privatisierungsmodells über ver-schiedene Zwischenlösungen bis hin zu einer vollständigen Wiedereingliederung der Abfallentsorgung in den kommunalen Bereich.

Insbesondere Gewerkschaften sowie Betriebsrätinnen und Betriebsräte fordern eine vollständige Rekommunalisierung der Abfallentsorgung. Zur Begründung verweisen sie unter anderem auf eine deutliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im Zuge der Privatisierung. Unterstützt werden sie von kritischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die der Auffassung sind, dass die Privatisierung der Entsorgung für Bremen insgesamt ein schlechtes Geschäft war. Es gibt allerdings auch Stimmen in Politik und Verwaltung, die die Ergebnisse der Privatisierung positiv bewerten.

Im rot-grünen Koalitionsvertrag 2011/15 heißt es: „Wir wollen prüfen, ob nach Auslaufen der Privatisierungsverträge 2018 eine Rekommunalisierung der Abfallsammlung sinnvoll ist.“ (S. 26)
In der Bürgerschaft haben die Koalitionspartner diesen Prüfauftrag inhaltlich konkretisiert und werden den Senat beauftragen entsprechend tätig zu werden.

Für die Beantwortung der Frage nach der zukünftigen Organisation der Abfallentsorgung ist eine gründlichen Klärung und Bewertung aller aufgeworfenen Sachfragen erforderlich. Die Auswahl des richtigen Modells muss vor allem anhand der folgenden Kriterien erfolgen, wobei die Reihenfolge der Aufzählung nichts über die Gewichtung der Kriterien aussagt:

- Qualität der erbrachten Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger
- Gebührenhöhe und Gebührenstabilität
- Arbeitsbedingungen der Beschäftigten
- Wirtschaftliche Wertschöpfung und Zahl der Arbeitsplätze am Standort Bremen
- Ökologische Nachhaltigkeit
- Möglichkeit der demokratischen Einflussnahme auf die Abfallentsorgung
- Auswirkungen auf den kommunalen Haushalt

Welches der theoretisch denkbaren Modelle die genannten – und ggf. noch zu ergänzenden – Kriterien am besten erfüllt, lässt sich derzeit noch nicht beurteilen. Offen ist auch, wie mit notwendigerweise auftretenden Zielkonflikten umzugehen ist. Klar ist allerdings: Je vollständiger die Abfallentsorgung wieder in den kommunalen Bereich eingegliedert wird, desto größer ist die Möglichkeit der demokratischen Einflussnahme über Senat und Bürgerschaft. Aus diesem Grund steht der Landesvorstand der Bremer SPD einer Rekommunalisierung der Entsorgung grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber.

Unser Ziel muss es sein, noch vor der nächsten Bürgerschaftswahl 2015 einen klaren Auftrag für die neue Regierung zu formulieren, der die Ziele, die Leitlinien und die Kriterien für die Prüfung und Umsetzung einer möglichen Rekommunalisierung der Abfallentsorgung enthält, damit die Wählerinnen und Wähler auch wissen, woran sie sind.
Beschluss des SPD-Landesvorstandes vom 23. August 2013.pdf