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Beschluss des SPD-Landesvorstandes vom 9. Dezember 2016

10.12.2016
Bremer SPD zum Verhältnis von Staat und Kirchen/Religionsgemeinschaften
I. Einleitung
Das Verhältnis zwischen SPD und christlichen Kirchen sowie anderen Religionsgemeinschaften ist geprägt von Wertschätzung, Achtung und konstruktiv-kritischem Dialog. Schon im Godesberger Programm heißt es: „Die SPD achtet die Kirchen und Religionsgemeinschaften, ihren besonderen Auftrag und ihre Eigenständigkeit. Sie bejaht ihren öffentlich-rechtlichen Schutz.“ Grundlage der Zusammenarbeit sind gemeinsame Werte, wie Freiheit und Demokratie, Solidarität und Nächstenliebe, Gerechtigkeit und die Achtung der Menschenwürde. Auf der Basis dieser Grundüberzeugungen gibt es im Lande Bremen schon seit Jahrzehnten eine vertrauensvolle Zusammenarbeit in verschiedenen politischen Bereichen.

Die SPD im Lande Bremen sieht ihren Auftrag auch in dem Bemühen um gesellschaftlichen Zusammenhalt, gerechte Teilhabe aller und in der Integration der zu uns geflüchteten Menschen und möchte diesen Auftrag gemeinsam mit Bündnispartnern in unseren Städten und Stadtteilen erfüllen.

Die christlichen Kirchen und die anderen Religionsgemeinschaften sind dabei von großem Wert: sie leisten im öffentlichen Diskurs wertvolle Beiträge zu einem weltoffenen und toleranten Klima und zu einem respektvollen Miteinander von Menschen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlicher Glaubensrichtungen, und ihre Mitglieder übernehmen haupt- und ehrenamtlich sehr konkret Verantwortung in der Unterbringung, Versorgung und Integration. Dabei leisten die mit der Flüchtlingsarbeit betrauten Menschen Großartiges.

Die SPD steht an der Seite der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ihrer Vertretungen und der Gewerkschaften. Da, wo die Kirchen und Religionsgemeinschaften Arbeitgeberinnen sind, müssen wir unterschiedliche Interessen thematisieren und im Sinne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in konstruktiver Auseinandersetzung Lösungen finden.

Bei der Gestaltung des Verhältnisses von Kirche und Staat ist für uns der Artikel 59 der Bremischen Landesverfassung maßgeblich: „Die Kirchen und Religionsgesellschaften sind vom Staate getrennt.“ Religiöses Bekenntnis und religiöse Betätigung sind Privatsache und nicht Gegenstand staatlicher Regulierung oder Förderung. Die Religionsfreiheit ist für uns ein hohes Gut.

II. Position des SPD-Landesvorstandes zu Punkten in der Koalitionsvereinbarung,
die Kirchen betreffend:

1. Verhältnis Arbeitnehmer – Arbeitgeber bei den Kirchen
Unabhängig vom im Grundgesetz und in der Bremischen Verfassung verbrieften Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrecht der Kirchen erwarten wir die Bereitschaft der Kirchen, tatsächliche Benachteiligungen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich der betrieblichen Mitbestimmung und der Festlegung und Gestaltung der grundlegenden Arbeitsbedingungen und -entgelte gegenüber allgemeinem Arbeitsrecht zu beenden. Hierbei sind insbesondere diejenigen Rechte der Kirchen, die über die Rechte der sonstigen Tendenzbetriebe hinausgehen, ebenso zu diskutieren, wie die Grenzen des Begriffs „verkündigungsnaher Bereich“. In den verkündungsfernen Bereichen, vor allem in kirchlichen Wohlfahrtsverbänden, darf es keine arbeitsrechtliche Sanktionierung außerberuflichen Verhaltens geben. Darauf werden wir hinwirken. Soweit die Kirchen und ihre Einrichtungen Arbeitgeber sind, muss die Grenze ihres Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrechts als Arbeitgeber von den Grundrechten ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer her bestimmt werden und nicht umgekehrt. Das gilt vor allem bei Streik- und Tarifrecht, insbesondere weil der weit überwiegende Teil der vom sogenannten „Dritten Weg“ Betroffenen nicht im verkündigungsnahen Bereich, sondern in freigemeinnützigen Einrichtungen und Zweckbetrieben beschäftigt ist. Regelungen, wie sie in Niedersachsen zwischen Diakonie und ver.di erreicht wurden, sind ein erster Schritt in die richtige Richtung und sollten auch in Bremen möglich sein. Hierzu wollen wir Gespräche mit den Kirchen und Gewerkschaften im Sinne und zusammen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern initiieren.
2. Gebührenordnung und Befreiungstatbestände
Im Koalitionsvertrag haben sich die Regierungsparteien verpflichtet, im Zuge der Haushaltskonsolidierung auch Gebühren und Beiträge zu überprüfen. Die SPD steht dabei auch zur Einhaltung geltender Staatsverträge. Deswegen werden wir lediglich die im Bremer Justizkostengesetz für gemeinnützige Organisationen, Kirchen und Religionsgemeinschaften explizit geregelte Befreiung von Gerichtsgebühren streichen, um den Koalitionsvertrag zu erfüllen.

III. Position des SPD-Landesvorstandes zu aktuellen Problempunkten:

3. Sogenannte „Stille Tage“
Die SPD hält den vor fünf Jahren mit den aktuellen Regelungen im Bremischen Gesetz über die Sonn- und Feiertage gefundenen Kompromiss nach wie vor für richtig. Diese Regelung soll unverändert und auf Dauer beibehalten werden. Damit respektieren wir das Bedürfnis nach Ruhe und innerer Einkehr auf Seiten der Kirchen und ihrer Mitglieder, aber auch bei Anderen nach einem besinnlichen, ruhigen Tag. Gerade in Zeiten zunehmender Vereinzelung, Entgrenzung von Arbeitszeiten und anderen Belastungen ist dies ein gesamtgesellschaftlicher Gewinn.

4. § 166 StGB
Nach dem Wortlaut dieses Paragraphen ist eine öffentliche Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsvereinigungen dann strafbar, wenn sie geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Das geschützte Gut sind nicht die religiösen Gefühle, sondern der öffentliche Frieden im Sinne eines gelingenden Miteinanders in unserer Gesellschaft. Sein praktischer Anwendungsbereich ist gering, in den allermeisten Fällen kann strafrechtlicher Schutz auch über andere Normen wie Beleidigung, üble Nachrede oder auch Volksverhetzung gewährt werden. Eine kriminalpolitische Rechtfertigung hat diese Vorschrift daher nicht (mehr).

Dennoch spricht sich die SPD derzeit gegen die Abschaffung des § 166 StGB aus: Gerade in der jetzigen Zeit der Zunahme von Rechtsradikalismus mit gezielten Aktionen gegen Flüchtlinge, die zudem häufig vor religiös motivierter Verfolgung fliehen mussten, wäre es ein falsches Signal, diesen Paragraphen zu streichen.