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Rentenkonzept der Bremer SPD

07.12.2016

Vorgelegt von der Projektgruppe Rente

Die Rente muss auch in Zukunft reichen!

Wir kämpfen für eine Rente,
die den Lebensstandard sichert,
Armut im Alter strukturell verhindert und
solidarisch finanziert wird!

Es ist eine zentrale Aufgabe des Sozialstaats dafür Sorge zu tragen, dass alle Altersgruppen an der Entwicklung von Einkommen und Wohlstand beteiligt werden und ohne Einschränkung am Leben teilhaben können. Deshalb brauchen wir eine ausreichende und gerechte Alterssicherung in Deutschland.

Die SPD setzt sich für eine Weiterentwicklung der Alterssicherung mit folgenden Zielen ein:

1. Die gesetzliche Rentenversicherung auf der Grundlage des Umlageverfahrens ist das zentrale Element einer sozialen und solidarischen Alterssicherung. Sie erreicht alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Durch ihre Umlagefinanzierung muss niemand fürchten, dass seine Rente durch Turbulenzen an den Kapitalmärkten gefährdet wird. Sie ist außerdem weitaus kostengünstiger als die kapitalgedeckte Vorsorge, da sie nicht von hohen Betriebsprovisionen und Werbekampagnen belastet wird.

2. Das Rentenniveau muss auf deutlich über 50% des Bruttoeinkommens stabilisiert werden. Die eingeführten Begrenzungsmechanismen (Riester-Faktor und Nachhaltigkeitsfaktor) sollen entfallen. Bezugspunkt sollten die beitragspflichtigen Bruttolöhne abzüglich Sozialausgaben sein. Das Rentenrecht in den alten und neuen Bundesländern sind – finanziert aus Steuermitteln - anzugleichen.

3. Die Finanzierung der Rente muss den Prinzipien der Solidarität und der Parität folgen. Deshalb ist es sinnvoll, schrittweise weitere Personengruppen wie Selb-ständige, Beamte, Richter und Abgeordnete – z.B. mit einer Stichtagsregelung - in die Versicherung einzubeziehen („Erwerbstätigenversicherung“). Für Mitglieder in berufsständischen Versorgungswerken wollen wir die einmalige Aufnahme in die gesetzliche Rentenversicherung ermöglichen. - Die Beiträge müssen paritätisch von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite getragen werden. Es ist zu prüfen, ob die Beitragsbemessungsgrenze - ab der bisherigen Grenze nur mit einer teilweisen Leistungsäquivalenz - erhöht werden kann.

Ein dringender erster Schritt ist die obligatorische Einbeziehung der bislang ungesicherten Selbständigen in die gesetzliche Rentenversicherung. Dabei muss auf deren ggf. temporär eingeschränkte Leistungsfähigkeit z.B. mit Stundungsregelungen (ohne Minderung der Gesamtbeitragspflicht) Rücksicht genommen werden.
4. Wichtige Voraussetzung für eine ausreichende Rente ist ein vorangegangenes Arbeitsleben mit ausreichenden Verdiensten. Daher müssen prekäre Arbeitsver-hältnisse und die Arbeitslosigkeit bekämpft und ausreichende Löhne und Gehälter gezahlt werden. Der Mindestlohn ist nur ein erster Schritt. – Klar ist: Gute Rente erfordert gute Arbeit.

5. Die staatlich geförderte private Altersvorsorge („Riester-Rente“) wird das sinkende Rentenniveau in der Gesetzlichen Rentenversicherung nicht kompensieren können. Sowohl die hohen Kostenbelastungen, als auch die unkalkulierbaren Risiken an den Anlagemärkten lassen erwarten, dass die unterstellten Kapitalrenditen nicht erreicht werden. Wichtiger noch: Weniger als die Hälfte der Förderberechtigten hat einen solchen Vertrag abgeschlossen. Der Anteil derjenigen, die die Förderung maximal nutzen, ist noch weitaus geringer. Gerade Förderberechtigte mit niedrigem Einkommen sind zudem deutlich unterrepräsentiert. Außerdem ist der Risikoschutz bei Riester-Renten lückenhaft: die gesetzliche Rente sichert alle drei Risiken (Alter, Hinterbliebene, Erwerbsminderung) ab, die Riesterrente stellt letztlich nur auf die Leistung bei Rentenbeginn (ohne Dynamisierung) ab.

Die Förderung der „Riester-Rente“ sollte deshalb bei Bestandsschutz für bestehende Verträge auslaufen. Gleichzeitig sollte bei der Gesetzlichen Rentenversicherung die Möglichkeit geschaffen werden, durch individuelle Einzahlungen und die Übertragung von „Riester“-Guthaben zusätzliche Rentenanwartschaften zu erwerben. Die dabei eingesparten Fördermittel sollten – entsprechend der ursprünglichen Zielsetzung bei der „Riester-Rente“ – gezielt zur Erhöhung der Renten von Geringverdienern und der besseren Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten genutzt werden.

6. Auch die arbeitnehmerfinanzierte betriebliche Altersvorsorge hat die in sie gesetzten Erwartungen bislang nicht erfüllt. Die Kostenbelastungen sind oft nicht geringer als bei der „Riester“-Rente. Die Risiken aus der Abhängigkeit vom Kapitalmarkt sind dieselben. Gleichermaßen unbefriedigend ist die Nachfrage: Gerade in den Branchen mit niedrigeren Einkommen und hohem Frauenanteil ist der Verbreitungsgrad gering. Hochgradig ineffizient ist zudem die Sozialabgabenbefreiung für die umgewandelten Lohn- und Gehaltsanteile. Sie ist nicht nur zur Hälfte eine ungerechtfertigte Subventionierung der Arbeitgeber. Insgeheim schmälert sie auch die gesetzliche Rente der Arbeitnehmer und schwächt die Sozialkassen insgesamt. Dieser Missstand muss deshalb bei einer Reform der betrieblichen Altersvorsorge unbedingt beseitigt werden. Die dabei geplante Verlagerung des Anlagerisikos vom Arbeitgeber auf die Arbeitnehmer ist nicht ausreichend abgesichert; der zusätzliche Sicherungsbeitrag ermöglicht keine wirksame Garantie und ist nicht obligatorisch. Die automatische Entgeltumwandlung gerade in unteren Einkommensbereichen ist kritisch zu sehen, da sie den Sozialversicherungsschutz verringert und die Einnahmen der Sozialversicherungen weiter reduziert.

Diese Reform sollte große und professionell gemanagte Kapitalsammelstellen schaffen, um eine effizientere Verwaltung der Anlagegelder auch in den Branchen zu ermöglichen, die keine gemeinsamen Versorgungswerke von Arbeitgebern und Gewerkschaften besitzen. Eine gute Lösung könnte hierzu ein zentrales betriebliches Altersvorsorgekonto unter dem Dach der Deutschen Rentenversicherung sein, wie es seit längerem diskutiert wird. Handlungsleitend sollte dabei aber immer sein, dass die betriebliche Altersvorsorge kein Ersatz für Lücken in der gesetzlichen Rentenversicherung ist, sondern eine effiziente kollektive Alternative zum individuellen privaten Vorsorgesparen.

Die in diesem Zusammenhang geplante Einführung von Freibeträgen in der Grundsicherung im Alter bei Beiträgen zur freiwilligen Altersvorsorge sollte auch auf die gesetzliche Rentenversicherung ausgedehnt werden, um diejenigen zu honorieren, die durch jahrelange Zahlungen einen Beitrag zu ihrer Alterssicherung leisten.
7. Auch im Rentensystem muss sich eine partnerschaftliche Aufteilung von Familien-und Erwerbsarbeit positiv widerspiegeln. Die Rente muss unsere moderne Vorstellung von Partnerschaft in der Familie abbilden. Die Rentensituation von Frauen muss dabei besonders berücksichtigt werden. Frauen, die in der Vergan-genheit die überwiegende Familienarbeit in einer Beziehung getragen haben, müssen diese anerkannt bekommen. – Gesellschaftliche wichtige und gewünschte Arbeit von Männern und Frauen, z.B. Erziehung von Kindern, Pflege von Älteren, soziales Engagement sollten durch steuerlich zu finanzierte Beitragszeiten weiterhin berücksichtigt und ausgebaut werden.

Eine Weiterentwicklung der Alterssicherung muss ebenso Antworten auf die drohende Altersarmut von Frauen finden. Eine zentrale Ursache für das größere Risiko von Frauen, von der Rente nicht leben zu können, sind die Unterschiede der Erwerbseinkommen zwischen Frauen und Männern. Daher müssen auch die heutigen Gehaltsunterschiede zwischen den Geschlechtern überwunden werden. Wir benötigen deshalb ein Rückkehrrecht zur Vollzeit und eine faire Entlohnung von Frauen und Männern. Außerdem müssen wir steuer- und sozialrechtliche Bedingungen ändern: wir brauchen eine Alternative zum Ehegattensplitting und eine bessere Anerkennung von Erziehungszeiten.

8. Die Gefahr der Altersarmut bedroht insbesondere diejenigen, die über längere Zeit nur ein niedriges Einkommen erzielen konnten oder Phasen von Arbeitslosigkeit hinnehmen mussten. Wer berufsbedingt immer wieder Zeiten ohne Erwerbstätigkeit hat oder zwischen abhängiger und selbständiger Beschäftigung wechselt, braucht trotzdem Sicherheit für seine Versorgung im Alter. Wir fordern daher, dass für Personen, die mehr als 30 Jahre unter Anrechnung von Erziehungszeiten und Zeiten von Arbeitslosigkeit dem Arbeitsmarkt in vollem Umfang zur Verfügung standen, anstelle der Grundsicherung als Sozialhilfeleistung eine Rente nach Mindesteinkommen gezahlt wird. Diese ist ohne Rückgriff auf Vermögen unterhalb von € 200.000,00 (Wohneigentum) und ohne Einforderung von Unterhaltspflichten zu gewähren, Mitnahmeeffekte sind zu vermeiden. Ihre Höhe bestimmt sich entsprechend der jeweiligen Grundsicherung sowie eines Zuschlages von einem zu dynamisierenden Betrag von € 200,00. Sie ist aus Steuermitteln zu finanzieren, Einsparungen entstehen bei der Grundsicherung im Alter im SGB XII. Uns ist be-wusst, dass daneben noch weitere Schritte zur Bekämpfung von Altersarmut außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung nötig sind.

Besonders von Altersarmut bedroht sind Personen mit einer Erwerbsminderungsrente. Diejenigen, die auf Grund einer Erwerbsminderung zu einem vorzeitigen Ausstieg aus dem Berufsleben gezwungen sind, müssen eine bessere Absicherung bekommen. Notwendig ist dafür zum einen eine rasche Ausweitung der Zurechnungszeit bis zur Regelaltersgrenze (nicht nur bis 65, wie geplant) – so entstehen Rentenansprüche, als hätte die Person eine volle Erwerbskarriere erreicht. Zum anderen sollten die Abschläge bei Erwerbsminderungsrenten gestrichen werden, von denen inzwischen fast alle Erwerbminderungs-Rentner betroffen sind. Sie sind nicht gerechtfertigt, da ja eine Erwerbsminderung nicht frei gewählt wird und deshalb keine Beteiligung an den vom Rentner ‚verschuldeten‘ Zusatzausgaben erfolgen darf.

9. Die Altersvorsorge und der Renteneintritt müssen sich flexibel den unterschiedlichen Anforderungen verschiedener Branchen anpassen. Sie muss dabei sowohl kürzere oder längere Lebensarbeitszeiten in verschiedenen Berufen als auch Aus-, Fort- und Weiterbildungsanforderungen und die gesundheitlichen Belastungen berücksichtigen. Die Arbeit ist altersgerechter zu gestalten.

Der Belastungsabbau durch Teilzeitarbeit für Ältere ist dabei ein zentraler Ansatzpunkt für die Renten-Übergangsphase. Die Verringerung der Arbeitszeit im Alter darf aber nicht mit unangemessenen Einschränkungen des Einkommens in den letzten Jahren der Erwerbsphase oder beim Bezug der Altersrente verbunden sein. Notwendig ist deshalb eine finanzielle (Teil-) Kompensation von Einkommenseinbußen sowohl in der Phase der Teilzeitarbeit als auch in der Rentenphase. Dies gilt besonders in den Fällen, in denen die Teilzeitarbeit eine Alternative zu einer (gesundheitsbedingten) Kündigung ist und damit Arbeitslosigkeit vermeidet.

Der Übergang in die Rente ist flexibler zu gestalten, u.a. durch eine Teilrente. Neben einer flexibleren und höheren Hinzuverdienstgrenze bei Teilrenten sowie einem abschlagsfreien Rentenzugang vor dem 65. Lebensjahr zählen hierzu auch ein verbesserter Anspruch auf Teilzeitarbeit, eine Teilrente ab dem 60. Lebensjahr und die Wiedereinführung einer durch die Bundesagentur für Arbeit geförderten Altersteilzeit.
10. Die Altersvorsorge muss transparenter und verständlicher werden. Nur wer weiß, welche Ansprüche er oder sie hat und wie er oder sie sich eine gute Rente sichern kann, ist auch in der Lage selbst Verantwortung dafür zu übernehmen und seine Zukunft zu gestalten.

Diese Ziele werden nicht von heute auf morgen und ohne Zwischenschritte zu ver-wirklichen sein. Sie beschreiben unser Ziel, für das wir Mehrheiten gewinnen wollen.